1932 | Clavichord Peter Harlan o. Nr. (Markneukirchen/Vogtland)
Beschreibung: Ambitus A1-e3 = 4 2/3 Oktaven = 56 Tasten, zweichörig bundfrei. Die Maße des Instruments betragen 116 cm breit x 47 cm tief x 13,5 cm hoch. Das tischartige Untergestell auf Rollen ist bei gleicher Grundfläche 63 cm hoch. Stempel (Signet) von Peter Harlan vorne rechts im Instrument. Keine Seriennummer.
Kalligraphie im Innendeckel von Erich Klahn (1901-1978), Verse von Ludwig Uhland:
linke Seite Innendeckel: Ludwig Uhland (1787-1862): Singe, wem Gesang gegeben (1813), erste Strophe, zweiter Teil:
Nicht an wenig stolze Namen
ist die Liederkunst gebannt.
Ausgestreuet ist der Samen
über alles deutsche Land.
rechte Seite Innendeckel: Ludwig Uhland (1787-1862): Singe, wem Gesang gegeben (1813), zweite Strophe, erster Teil:
Deines vollen Herzens Triebe,
gib sie keck im Klange frei.
Säuselnd wandle deine Liebe,
donnernd uns dein Zorn vorbei.
Mosaik auf dem Außendeckel (ca. 102 cm x ca. 33 cm): abgängig.
zum Erbauer: "Peter Harlan (* 26. Februar 1898 in Berlin; † 13. Januar 1966 auf Burg Sternberg/Lippe) war ein deutscher Musiker und Musikinstrumentenbauer. 1925 besuchte er mit dem deutschen Musikforscher Max Seiffert den führenden Experten für alte Kammermusik [und historischen Musikinstrumentenbau,] Arnold Dolmetsch in England. 1926 ließ er durch andere Blasinstrumentenbauer eine Blockflöte bauen. Das Resultat dieser Versuche war die noch heute geläufige ["]deutschgriffige["] Blockflöte [...]. Diese ["]Bärenreiter-Blockflöte["] aus den Harlan-Werkstätten erfuhr auch wegen ihres günstigen Verkaufspreises von 4 Reichsmark eine rasche Verbreitung. Von Gurlitt angeregt, entwickelte Harlan neben Blockflöten auch Fideln, Gamben und Klavichorde nach historischen Vorbildern." (nach Wikipedia-Artikel "Harlan")
Peter Harlan hat zudem auch mindestens zwei Cembali gebaut (tel. Information von Ralph Meyer am 8. April 2021 - eines dieser Instrumente fand sich einige Zeit in seinem Besitz). Über die Zahl der gebauten Klavichorde konnte bisher nichts in Erfahrung gebracht werden.
Es ist anzunehmen, dass Peter Harlan ähnlich seinem Bruder Veit Harlan ("Jud süß") dem nationalsozialistischen Gedankengut nahe stand. Diese Annahme gewinnt durch die Mitwirkung von Erich Klahn (vgl. Wikipedia-Artikel "Klahn") bei der Gestaltung der Kalligraphien auf der Innenseite des Deckels an Wahrscheinlichkeit.
Die Verquickung des deutschen Musikverlagswesens und des deutschen Instrumentenbauwesens mit dem Nationalsozialismus ist noch nicht gut erforscht. Dennoch (vielleicht auch gerade deswegen) ist dieses Clavichord aufgrund der Bedeutung, die Peter Harlan in Kooperation mit dem Bärenreiter-Verlag Kassel seit den 1930er-Jahren mit der Entwicklung einer "deutschen" Blockflöte (genauer: "deutsche Griffweise") hatte, nachdem er sich entsprechende Anregungen bei Arnold Dolmetsch in Haslemere/Surrey geholt hatte, ein wichtiges Dokument für die Entwicklung der historischen Aufführungspraxis und des Baus historischer Musikinstrumente im 20. Jahrhundert.
Provenienz: Erster Eigentümer dieses Clavichords war Fritz Schmidt (1886-1976), der auch ein Cembalo von Harlan besaß. Übergang per Erbe/Vermächtnis an Ralph Meyer. Erwerb 9. April 2021 für die Sammlung Dohr aus Sammlung Ralph Meyer, Worth (Clavineum Rotenburg/Wümme).
Zustand: abgebrochene Restaurierung des Vorbesitzers mit Eingriffen in die Originalsubstanz (Bezug entfernt; Mosaik auf der Außenseite des Deckels abgängig; Klangsteg bestiftet statt originaler gekerbter Metallleiste; Tastenhebel und -Beläge im Bassbereich mit Stahlwolle abgeschliffen); mehrere Resonanzboden-Risse.